27.2.23 ZDF "Russland hat Minsk-Abkommen gebrochen"
Selenskyj: Ich bin auf diesen Zug aufgesprungen, der ehrlich gesagt bereits Richtung Abgrund fuhr. Mit »Zug« meine ich diese Vereinbarungen als Ganzes. Jeder Punkt steht für einen Waggon, und wenn du anfängst, das auseinanderzunehmen, kapierst du: Das Ganze ist so konstruiert, dass eine Seite etwas nicht erfüllen kann und die andere den Konflikt einfriert. Ich erkannte in den Vereinbarungen gar nicht den Wunsch, der Ukraine ihre Unabhängigkeit zu lassen! Ich verstehe ihren Sinn so, dass man den Appetit Russlands auf Kosten der Ukraine erst mal ein wenig stillen wollte. Aufschieben ist völlig in Ordnung in der Diplomatie. Man weiß ja nie, ob nicht ein Entscheidungsträger stirbt und alles plötzlich einfacher wird. Ich habe in diesen Vereinbarungen nur einen einzigen Sinn gesehen: Es gab dank ihnen eine offizielle Gesprächsplattform, um überhaupt irgendetwas zu lösen. Und habe mich dann auf die Frage des Gefangenenaustauschs konzentriert und dem Chef des Präsidialbüros gesagt: Andrij, lass uns das ausbauen, da geht es um Menschen. Und wenn wir einen Austausch »alle gegen alle« schaffen, schauen wir weiter. Aber was Minsk insgesamt angeht, habe ich Emmanuel Macron und Angela Merkel gesagt: So können wir das nicht umsetzen.“
Sehr geehrter Herr Moser,
vielen Dank für Ihre E-Mail vom 27. Februar 2023, in der Sie das Interview mit dem Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Herrn Christoph Heusgen, in der "heute journal”-Sendung vom 19. Februar 2023 ansprechen. Ihre E-Mail wurde zuständigkeitshalber an mich weitergeleitet. Gerne möchte ich Ihnen hiermit antworten.
Sie schreiben, Russland habe das Minsker Abkommen nicht brechen können, da es zwar Verhandlungspartner, nicht aber Konfliktpartei gewesen sei. Konfliktparteien seien die Ukraine und die Rebellen im Donbass gewesen. Tatsächlich agierten die Separatisten im Donbass mit russischer (vor allem militärischer) Unterstützung.
Das Abkommen „Minsk II“ wurde nicht nur vom damaligen ukrainischen Präsidenten, Vertretern der selbsternannten Volksrepubliken und der OSZE-Beauftragten, sondern auch vom damaligen Botschafter Russlands in der Ukraine unterzeichnet. Russland war hier also Vertragspartei und nicht nur, wie Sie schreiben, eine der Garantiemächte. Gebrochen wurde das Abkommen durch russlandtreue und russische Kämpfer – drei Tage nachdem die Waffenruhe verkündet worden war.
Ich danke Ihnen, sehr geehrter Herr Moser, für Ihre Zuschrift. In der Hoffnung, dass meine Ausführungen Ihr Verständnis finden, freue ich mich, wenn Sie dem ZDF-Programm weiterhin als interessierter und durchaus kritischer Zuschauer erhalten bleiben.
Mit freundlichen Grüßen
Bettina Schausten
_______________________________________
ZDF
Bettina Schausten
Chefredakteurin
55100 Mainz
Deutschland
Web: zdf.de