27.2.23 ZDF "Ukraine stärken"

Sehr geehrte Damen und Herren des ZDF-Fernsehrates,
 
ich erhebe Programmbeschwerde gegen folgenden Beitrag vom 19.2.2023:
 
"Heusgen: "Wir müssen die Ukraine stärken"
 
 
Anne Gelinek sagt im Interview mit Christoph Heusgen, dem Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, bei Minute 5:10:
 
"In München ging’s dieses Wochenende ja auch um mögliche Friedensinitiativen. Sie haben 2015 schon mit Putin nächtelang über Frieden verhandelt. Damals ging’s um das Minsker Abkommen, das Russland wenig später gebrochen hat. Unter welchen Voraussetzungen sehen Sie überhaupt noch, dass man nochmals mit Putin reden könnte?"
 
Das ist falsch.
 
Russland konnte das Minsker Abkommen überhaupt nicht brechen, denn es gehörte wie auch Deutschland und Frankreich zu den
Garantiemächten dieses Abkommens. Deshalb wird Russland in diesem Abkommen auch nicht namentlich erwähnt.
Das Minsker Abkommen ist 2015 geschlossen worden, um einen Frieden im Donbass zu erreichen. Es wurde im Februar 2015 in Minsk von Bundeskanzlerin Merkel, dem französischen Präsidenten Hollande und dem russischen Präsidenten Putin als Vermittler zwischen dem ukrainischen Präsidenten Poroschenko und den Rebellen im Donbass ausgehandelt. Diese beiden Konfliktparteien, die ukrainische Regierung und die Rebellen
im Donbass werden in dem 13-Punkte-Plan des Abkommens aufgefordert, diese umzusetzen.
 
Das Minsk-Abkommen auf Deutsch:
 
https://ukraine-nachrichten.de/maßnahmenkomplex-umsetzung-minsker-vereinbarungen_4202
 
In Punkt 4 geht es z. B. darum, dass die Rebellengebiete im Osten der Ukraine einen Sonderstatus erhalten sollen. Ein entsprechendes Gesetz sollte das Parlament der Ukraine spätestens 30 Tage nach Unterzeichnung des Abkommens verabschieden, also bis zum 13. März 2015.
Dies ist nie geschehen.
 
In einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Spiegel vom 9.2.23 hat der ukrainische Präsident Selenski erklärt, dass er das Minsker Abkommen nie umsetzen wollte.
 
„SPIEGEL: Sie haben aber doch selbst versucht, das Minsker Abkommen umzusetzen?

Selenskyj: Ich bin auf diesen Zug aufgesprungen, der ehrlich gesagt bereits Richtung Abgrund fuhr. Mit »Zug« meine ich diese Vereinbarungen als Ganzes. Jeder Punkt steht für einen Waggon, und wenn du anfängst, das auseinanderzunehmen, kapierst du: Das Ganze ist so konstruiert, dass eine Seite etwas nicht erfüllen kann und die andere den Konflikt einfriert. Ich erkannte in den Vereinbarungen gar nicht den Wunsch, der Ukraine ihre Unabhängigkeit zu lassen! Ich verstehe ihren Sinn so, dass man den Appetit Russlands auf Kosten der Ukraine erst mal ein wenig stillen wollte. Aufschieben ist völlig in Ordnung in der Diplomatie. Man weiß ja nie, ob nicht ein Entscheidungsträger stirbt und alles plötzlich einfacher wird. Ich habe in diesen Vereinbarungen nur einen einzigen Sinn gesehen: Es gab dank ihnen eine offizielle Gesprächsplattform, um überhaupt irgendetwas zu lösen. Und habe mich dann auf die Frage des Gefangenenaustauschs konzentriert und dem Chef des Präsidialbüros gesagt: Andrij, lass uns das ausbauen, da geht es um Menschen. Und wenn wir einen Austausch »alle gegen alle« schaffen, schauen wir weiter. Aber was Minsk insgesamt angeht, habe ich Emmanuel Macron und Angela Merkel gesagt: So können wir das nicht umsetzen.“
 
 
Bereits vorher hat auch der ehemalige ukrainische Präsident Poroschenko, der ehemalige französiche Präsident Hollande, die ehemalige
Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie der ehemalige britische Premierminister Boris Johnson gesagt, dass das Minsk-Abkommen nur dafür gedacht 
war, der Ukraine Zeit zu verschaffen, um sie aufrüsten zu können.
 
Mit freundlichen Grüßen
 
Bernhard Moser
 

9.3.23

Sehr geehrter Herr Moser, 

 

vielen Dank für Ihre E-Mail vom 27. Februar 2023, in der Sie das Interview mit dem Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Herrn Christoph Heusgen, in der "heute journal”-Sendung vom 19. Februar 2023 ansprechen. Ihre E-Mail wurde zuständigkeitshalber an mich weitergeleitet. Gerne möchte ich Ihnen hiermit antworten. 

 

Sie schreiben, Russland habe das Minsker Abkommen nicht brechen können, da es zwar Verhandlungspartner, nicht aber Konfliktpartei gewesen sei. Konfliktparteien seien die Ukraine und die Rebellen im Donbass gewesen. Tatsächlich agierten die Separatisten im Donbass mit russischer (vor allem militärischer) Unterstützung. 

 

Das Abkommen „Minsk II“ wurde nicht nur vom damaligen ukrainischen Präsidenten, Vertretern der selbsternannten Volksrepubliken und der OSZE-Beauftragten, sondern auch vom damaligen Botschafter Russlands in der Ukraine unterzeichnet. Russland war hier also Vertragspartei und nicht nur, wie Sie schreiben, eine der Garantiemächte. Gebrochen wurde das Abkommen durch russlandtreue und russische Kämpfer – drei Tage nachdem die Waffenruhe verkündet worden war. 

 

Ich danke Ihnen, sehr geehrter Herr Moser, für Ihre Zuschrift. In der Hoffnung, dass meine Ausführungen Ihr Verständnis finden, freue ich mich, wenn Sie dem ZDF-Programm weiterhin als interessierter und durchaus kritischer Zuschauer erhalten bleiben. 

 

Mit freundlichen Grüßen 

 

Bettina Schausten 

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ZDF
Bettina Schausten
Chefredakteurin
55100 Mainz
Deutschland

Web: zdf.de


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